„Mit Mathe hatte Jennifer von Anfang an Probleme.“ Die 34-jährige Doreen Ewert erzählt von ihrer Oberschule in Ortrand, in die auch die Grundschule integriert ist. Die Kinder sind hier von der ersten Klasse an gemeinsam zur Schule gegangen. Freundschaften haben sich gebildet, Stärken und Schwächen gezeigt, wie das in jeder Schulgemeinschaft so ist. In der sechsten Klasse kam dann Jennifers Mathe-Lehrerin und sagte: Wenn sich Jennifer nicht verbessere schaffe sie das Klassenziel nicht.
„Ich wollte meinem Kind unbedingt helfen!“, erklärt Doreen Ewert. „Je schlechter ihr Abschluss, umso geringer sind doch später ihre Chancen im Berufsleben!“ Sie weiß selbst, wie es ist, lange arbeitslos zu sein. Als ihre Ausbildung zur Bürokauffrau im Landratsamt Großenhain beendet war, lag ihre Entlassung auf dem Tisch. Dabei hatte sie im öffentlichen Dienst doch mit einer sicheren Anstellung gerechnet. Aber genau in dem Jahr als sie mit ihrer Ausbildung fertig wurde, kam eine Gebietsreform und machte viele Arbeitsplätze überflüssig. Es waren die Jungen, die gehen mussten.
Doreen Ewert heiratete, ihre Töchter wurden geboren: 1994 Jennifer, 1998 Jessica. Als die Ehe 2003 geschieden wurde, war Doreen Ewert noch immer ohne Arbeit. Dabei nahm sie doch, was sie kriegen konnte. Aber es war immer nur begrenzt – mal eine ABM-Stelle, mal Ein-Euro-Jobs. Lange Zeit zahlte der Vater keinerlei Unterhalt für die Töchter, heute wird ein geringer Betrag von seinem Lohn gepfändet. Seit einigen Jahren lebt Doreen Ewert mit den Mädchen nicht mehr allein. Ihr Lebensgefährte ist Maurer; sein Verdienst und ihr Arbeitslosengeld II sind nicht gerade üppig.
Wovon sollte da eine professionelle Nachhilfe für Jennifer bezahlt werden? Die Mutter selbst konnte das nicht leisten: „Ich helfe wo ich kann: Vokabeln abhören, Diktate, Aufsätze – aber in Mathe komme ich einfach nicht mehr mit.“ Die Kosten für die ersten Stunden Schülerhilfe im benachbarten Großenhain übernahmen die Eltern ihres Lebensgefährten. Auf Dauer aber war das keine Lösung – die Nachhilfe kostete immerhin monatlich 75 Euro. Dazu kamen die Bustickets. Doreen Ewert wandte sich an Pro Familia und bat um Hilfe. Zuerst kam eine Ablehnung: Für den Unterricht im benachbarten Großenhain, das zu Sachsen gehört, konnte kein Geld bewilligt werden.
„Es war Glück, das es wenig später auch bei uns im Ort eine Nachhilfemöglichkeit gab.“ Eine Lehramtsanwärterin bot Mathe-Nachhilfestunden an. Pro Familia leitete Doreen Ewerts Antrag an die Stiftung „Hilfe für Familien in Not“ weiter. „Dann ging alles ganz schnell und unbürokratisch.“ Für ein Jahr wurde ihr eine Schülerhilfe bewilligt. Allerdings wollte die Stiftung nach einem halben Jahr Ergebnisse der Nachhilfe sehen. Das aber war kein Problem: „Jennifer hat sich wirklich schnell entscheidend verbessert. Und sie hat kein einziges Mal gefehlt.“
Mathe zählt zwar immer noch nicht zu ihren Lieblingsfächern. Das sind eher Deutsch, das neue Fach Lebensgestaltung/Ethik/Religionskunde und das fakultative Schwedisch. Aber heute geht die 13-jährige wieder richtig gern in die Schule. Jennifer: „Jetzt macht das Lernen wieder Spaß!“
Doreen Ewert, Ortrand, zwei Kinder
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